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Bietigheim. (JR) Torhüter Jimmy Hertel (29) hat in seiner Karriere schon einiges gesehen und erlebt. Der gebürtige Memminger holte sich bei den Eisbären Juniors... Goalie Jimmy Hertel (29) verrät im Interview warum er bislang alle Anfragen abgesagt hat und was seine Zukunftspläne sind

Jimmy Hertel – © Sportfoto-Sale (DR)

Bietigheim. (JR) Torhüter Jimmy Hertel (29) hat in seiner Karriere schon einiges gesehen und erlebt.

Der gebürtige Memminger holte sich bei den Eisbären Juniors Berlin in der DNL den „Feinschliff“ für die Hockeykarriere. Es folgten weitere Stationen, zum Teil auch lediglich per Förderlizenz, in Nürnberg, Bad Tölz, München Hannover (Indians und Scorpions), Wolfsburg, Kassel, Ravensburg, Freiburg, Frankfurt und zuletzt beim DEL-Aufsteiger in Bietigheim. Bei den Steelers kam er insgesamt auf 26 Einsätze, musste aber in den Playoffs verletzungsbedingt zuschauen. Wir haben dem zurzeit vertragslosen Goalie einige Fragen gestellt.

Eishockey-Magazin (EM) / Jörg Reich (JR): Hallo Herr Hertel, vielen Dank, dass wir Ihnen ein paar Fragen stellen dürfen!
Sie haben in der vergangenen Saison das Torhütertrio der Bietigheim Steelers gemeinsam mit Cody Brenner und Leon Doubrawa gebildet. Verletzungsbedingt konnten Sie am Ende der Saison nicht mehr eingreifen. Wie geht es Ihnen inzwischen?

Jimmy Hertel: Vielen Dank der Nachfrage. Nach einer verrückten Saison mit vielen Höhen und Tiefen war ich gegen Ende in wirklich guter Form und hatte einen guten Start in die Playoffs, da war die Verletzung natürlich besonders bitter. Mir geht es aber mittlerweile wieder gut und ich konnte meine Verletzung zu 100% auskurieren.

E-M /J. R.: Mit Leon Doubrawa sicherte am Ende der eigentlich dritte Torhüter der Steelers die Meisterschaft und den Aufstieg in die DEL. Wie haben Sie die entscheidenden Spiele miterlebt und wie haben Sie die Leistung von Leon Doubrawa gesehen?

Jimmy Hertel: Ich denke man muss Leon da ein riesen Kompliment aussprechen. Es ist nie einfach ins kalte Wasser geworfen zu werden und dann auch noch in den Playoffs. Er hat das wirklich hervorragend gemacht sowie die ganze Mannschaft, die wirklich unglaubliches Hockey gespielt hat.

E-M /J. R.: Sie haben als Spieler mit dem Club Bietigheim Steelers einen großen Erfolg gefeiert, am Ende durch die Verletzung für Sie sicherlich etwas getrübt? In wie weit konnten Sie persönlich die Meisterschaft miterleben?

Jimmy Hertel: Wie sie schon sagten, es war natürlich ein bisschen bitter-sweet für mich, doch ich habe mich für jeden aus dem Team sehr gefreut.

E-M /J. R.: Ihr Vertrag ist zum Saisonende ausgelaufen. Die Bietigheim Steelers haben mitgeteilt, dass Sie zur Saison 2021/2022 nicht mehr für den Club spielen werden. Wie haben Sie selbst diese Entscheidung aufgenommen?

Jimmy Hertel im Trikot der Löwen Frankfurt – © Sportfoto-Sale (DR)

Jimmy Hertel: Es war mir fast klar dass, wenn wir gewinnen, meine Tage in Bietigheim gezählt sind und dass aufgrund der Importlizenzen in der DEL ein ausländischer Torhüter verpflichtet wird. Von daher hat mich die Nachricht nicht überrascht.

E-M /J. R.: In den vergangenen Jahren haben Sie für einige Clubs in der DEL2 gespielt. Mit Kassel, Ravensburg, Freiburg, Frankfurt und Bietigheim waren das fünf etablierte Clubs der Liga. Sie haben dabei sehr erfolgreich gespielt, trotzdem haben Sie nie länger als zwei Spielzeiten beim selben Club gespielt. Welche Gründe hatte das aus ihrer Sicht?

Jimmy Hertel: Es gibt dafür sicher verschiedene Gründe. Einerseits gibt es bei den meisten Clubs eine grosse Fluktuation bei den Spielern, sowie auch Trainern. Das bringt jedes Jahr viel Veränderung und es ist keine nachhaltige Planung, respektive Entwicklung möglich.
Dann gab es auch individuelle Entscheidungen seitens der Clubs, die eine Rolle gespielt haben. Diese haben sich mir nicht immer erschlossen, jedoch gehört es für einen Profi dazu flexibel zu sein. Nicht zuletzt gab es auch von meiner Seite Präferenzen, die mit meiner Lebenssituation zu tun hatten.
Klar hätte ich mich am Liebsten länger bei einem Club etablieren wollen. Ich kann aber sagen, dass ich jedes Mal etwas mitnehmen konnte für meine sportliche Entwicklung und durch die Wechsel viele tolle Menschen kennenlernen durfte.

„Ich habe bisher alle Anfragen abgesagt“

E-M /J. R.: Die Clubs der DEL2 haben die Stellen im Tor eigentlich schon alle besetzt. Ihr Name wurde bisher noch bei keinem Club vermeldet. Werden wir Sie nächste Saison weiterhin in der DEL2 spielen sehen? Haben Sie schon einen neuen Club bzw. wie sieht ihre sportliche Zukunft in der Saison 2021/2022 aus?

Jimmy Hertel: Ich habe bisher alle Anfragen abgesagt, da meine Tochter in der Schweiz in den Kindergarten gekommen ist. Insofern wird meine Familie auch in der Schweiz bleiben. Momentan halte ich mich fit und wir organisieren uns neu, da meine Frau wieder angefangen hat zu arbeiten. Ich hoffe in absehbarer Zeit hier in der Nähe unseres Wohnortes spielen zu können, da ich den Schweizer Pass beantragt habe. Ich bin jedoch offen, falls ein Club in der DEL2 oder DEL einen Goalie braucht zur Überbrückung, könnte es auch sein, dass man mich wieder sieht.

E-M /J. R.: Das Deutsche Eishockey ist sehr nordamerikanisch geprägt. Viele Kaderplätze in den Clubs der DEL sind für Importspieler reserviert. Man hat den Eindruck für deutsche Spieler ist es, mit Ausnahme der Ausnahmetalente und Nationalspieler, nicht einfach sich in der höchste Liga DEL zu etablieren. Wie sehen Sie das? Wie ist das aus Ihrer Sicht speziell bei den Torhütern? Wie sehen Sie die Entwicklung der DEL und der DEL2 insgesamt? Die veränderte U23-Regelung in der DEL führt dazu, dass einige Deutsche Ü 23-Spieler in die DEL2 wechseln müssen. Denke Sie das wird sich auf die Ligen positiv oder eher negativ auswirken?

Jimmy Hertel: Ich denke, dass sich die letztjährigen Erfolge mit dem heutigen System nur schwer konstant weiterführen lassen. Gerade in der DEL werden vielen U-Stellen oft mit jungen Spielern besetzt die leider letztlich nur die Bank hüten. Oft sind die Spieler in dem Alter noch nicht so weit, um ihre beste Leistung abrufen zu können. Es ist ein Teufelskreis, da sie sich auch in unteren Ligen wie DEL2 und Oberliga nicht entwickeln können, weil die Schlüsselpositionen von älteren deutschen Spielern oder Ausländern besetzt sind. Auf der Torhüterposition ist es noch deutlicher, da selbst langjährige deutsche Torhüter oft einen Ausländer zur Seite gestellt bekommen. Die wenigen deutschen Torhüter die sich in der DEL als Nummer 1 etabliert haben, hatten das Glück, dass sie in einem Team einen einzelnen Förderer wie Trainer oder Torwarttrainer fanden, der ihnen das Vertrauen längerfristig gab.
Nicht, dass sie nicht hart für ihre Position gearbeitet hätten, im Gegenteil. Jedoch braucht man das Vertrauen und die Geduld um einen Spieler nachhaltig aufzubauen. Viele meiner Kollegen mit sehr viel Talent und Ehrgeiz, die kein Glück hatten und zu wenig nachhaltige Förderung, haben aufgrund dieser Tatsache mittlerweile aufgehört oder spielen nebenberuflich in der Oberliga.
Ich glaube, dass langfristig nur eine Reduzierung der Ausländerstellen der richtige Weg ist, um eine qualitativ optimale Nachwuchsförderung zu etablieren. Dass dies von den Vereinen wegen den Kosten kritisch gesehen wird, kann ich nachvollziehen. Wobei ich denke, dass die Angst vor einer Kostenexplosion unbegründet wäre, wenn man geeignete Rahmenmassnahmen treffen würde. Man hat in der Schweiz gesehen, dass Fans und Spieler viel erreichen können, wenn sie sich gemeinsam für eine Sache einsetzen und durchaus eine Änderung des Systems herbeigeführt werden kann. Das wäre auch meine Hoffnung für das Deutsche Eishockey.

„Memmingen ist für die Zukunft gut gerüstet“

E-M /J. R.: Haben Sie noch Kontakt nach Memmingen? Wie sehen Sie den dortigen Club ECDC Memmingen Indians für die Zukunft aufgestellt? In welcher Liga sehen Sie die Zukunft des Memminger Eishockeys?

Jimmy Hertel: Ja ich habe regelmäßig Kontakt nach Memmingen, meine ganze Familie lebt noch dort und das Geschäft meines Vaters ist dort ansässig. Auch zu den Verantwortlichen des ECDC habe ich Kontakt und wir pflegen ein freundschaftliches Verhältnis. Ich denke Memmingen ist für die Zukunft gut gerüstet. Ich hoffe, dass sich Stadt und Verein noch mehr zusammen tun und alle Synergien verbinden. Dann kann Memmingen mit Sicherheit in der DEL2 spielen, die Leute und die Fans dort hätten das sicherlich verdient.

E-M /J. R.: Wenn Sie im Deutschen Eishockey in einer verantwortlichen Position wären, welche Dinge würden Sie unbedingt verändern und verbessern wollen?

Jimmy Hertel: Ich würde alle Ü- und U- Regeln abschaffen, die Ausländerlizenzen in der DEL auf 5 und in der DEL2 auf 3 reduzieren. Gleichzeitig eine Gehaltsobergrenze einführen, um zu verhindern, dass die Preise für deutsche Spieler explodieren. Für jedes Team, das über die Gehaltsgrenze kommt, müsste der gleiche oder sogar der doppelte Betrag in den Nachwuchs investiert werden.

E-M /J. R.: Herr Hertel, vielen Dank für die Zeit und die interessanten Statements.

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