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Am Freitag veröffentlichten die Krefeld Pinguine die Pressemitteilung, dass man mit Ben Johnson den zukünftigen Center für die erste Reihe aus der Slowakei verpflichtet... „Die Drittelpause“: Krefelds Verpflichtung von Ben Johnson wirft einige Fragen auf

Ben Johnson (vorne links) wechselt zu den Pinguinen – © Krefeld Pinguine Media/PR

Am Freitag veröffentlichten die Krefeld Pinguine die Pressemitteilung, dass man mit Ben Johnson den zukünftigen Center für die erste Reihe aus der Slowakei verpflichtet hat. Der Zeitpunkt ist, wie bei so vielen Clubs, klug gewählt, denn Pressemeldungen vom Freitag erscheinen samstags in den auflagenstarken Ausgaben der Tageszeitungen.

Der Jubel über den Transfer unter den Krefelder Eishockeyfans, so es ihn denn gab, war aber schnell verhallt. Die Pinguine haben sich in ihrer Pressemeldung auf die sportlichen Qualitäten des 29- jährigen US-Amerikaners beschränkt. Sportdirektor Peter Draisaitl erklärt, dass man schon seit dem letzten Jahr in Kontakt mit Johnson ist. Johnson will mit Krefeld Titel gewinnen und ist sich sicher, dass die Vision der Pinguine mit seinen Zielen gut zusammenpasst. So weit, so gut die branchenüblichen Statements nach einer Spielerverpflichtung.

Den aufmerksamen Eishockeyanhängern ist allerdings schnell aufgefallen, dass Ben Johnson eine eher ungewöhnliche Vita aufweist. Zwischen 2016 und 2018 hat er nicht aktiv Eishockey gespielt. Aus gutem Grund, denn im Herbst 2016 wurde er wegen eines Sexualdelikts aus dem Jahr 2013 zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Johnson gehörte seinerzeit zum Juniorenteam der Windsor Spitfires und hat als damals 18- jähriger eine 16- jährige zu Oralsex gezwungen und sie anschließend vergewaltigt. Die New Jersey Devils lösten daraufhin den Vertrag mit dem 2012 in der dritten Runde an Position 90 gedrafteten Johnson.

Sein Comeback gab Johnson 2018 in der East Coast Hockey League (ECHL) bei den Cincinnati Cyclones, wo er zwei Jahre lang die Schlittschuhe schnürte. Es folgte laut Statistiken ein weiteres Jahr ohne Eishockey, eher er in der Saison 21/22 in der ECHL für die Kansas City Mavericks auflief. Im letzten Jahr folgte der Wechsel in die Slowakei, wo auch die Krefelder auf ihn aufmerksam wurden.

In den sozialen Netzwerken fielen die Reaktionen auf die Verpflichtung eines vorbestraften Sexualstraftäters natürlich reflexartig schnell und extrem aus. Einige erklärten ihre Dauerkarte zurückgeben zu wollen, andere nicht mehr mit Kindern in die Yayla-Arena kommen zu wollen und wieder andere erklärten, dass sie bei dieser Verpflichtung mehr als ein mulmiges Gefühl haben.
Auf der anderen Seite plädierten aber auch Leute für die „zweite Chance“ und erklärten, dass die Tat zehn Jahre her sei, Johnson seine Strafe verbüßt habe, nicht mehr auffällig geworden sei und somit alles okay sei.
Die Anhänger sind demnach hin- und hergerissen.

Es stellt sich die Frage, warum die Pinguine sich überhaupt solch „ein Problem“ in den Kader holen, wodurch das in den letzten Jahren ohnehin gelittene Image weitere Kratzer abbekommt? Hat man denn in der Seidenstadt so gar nichts gelernt? Schließlich hätte man nach den Erfahrungen aus dem Jahr 2021, als man mit Clark Donatelli einen wegen sexuellen Missbrauchs angeklagten Trainer verpflichtete, mit derartigen Reaktionen auf die Verpflichtung Johnsons rechnen müssen. Stattdessen hat man in keinster Weise die Vergangenheit von Ben Johnson erwähnt. Hat man das in dem Glauben, dass es niemandem auffällt, ganz bewusst getan? Oder hatte die sportliche Führung die Informationen über Johnsons Vergangenheit schlicht und ergreifend und sehr blauäugig nicht? Das wiederum würde ein erschreckend schlechtes Licht auf die Scoutingqualitäten der Pinguine werfen. Mit zwei simplen Klicks filtert hier schon fast jede Suchmaschine Johnsons Verurteilung heraus.
War es wirklich nötig zum jetzigen Zeitpunkt diesen Spieler zu verpflichten, wo man doch davon ausgehen kann, dass bis zum Trainingsauftakt ein ähnlich starker oder sogar besserer Spieler zu bekommen sein sollte?

Nach den letzten Monaten, in denen man mit der neuen Führung und einigen positiven Schlagzeilen (u.a. Ehrhoff-Comeback) eine gewisse Aufbruchstimmung erzeigen konnte, ist diese Verpflichtung ein Rückschlag, aber auch eine Bewährungsprobe für die „neuen Macher“ an der Westparkstraße.

Es bleiben somit viele Fragen offen und man darf gespannt sein, wie die Krefeld Pinguine diese Verpflichtung in Punkto Kommunikation / Außendarstellung rechtfertigen und weiter aufarbeiten werden. Aber auch, wie man Ben Johnson mit besonders viel Fingerspitzengefühl in die Eishockeyfamilie der Pinguine mit ihren vielen jungen und weiblichen Anhängern integrieren wird.
(MK/MS)

Über „Die Drittelpause“: In der sogenannten „Drittelpause“ greifen verschiedene Autoren aktuelle Themen auf und beziehen hier klar persönlich Stellung. Hierbei wird Nebensächliches zur Hauptsache gemacht und umgekehrt. Es wird gerne überspitzt, frech und vielleicht auch manchmal einfach nur „anders“ argumentiert und kommentiert. Mal laut, mal leise, mal mit einem Augenzwinkern und mal mit dem Dampfhammer oder in Satireform. „Die Drittelpause“ ist nicht neutral und ausgeglichen, sie ist die oft persönliche Meinung des Autors / der Autorin und soll Anlass zur Diskussion bieten.






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