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Bietigheim. (JR) Rupert Meister ist aktuell Trainer der U20 bei den Bietigheim Steelers. Der erfahrene Eishockeyfachmann war in früheren Jahren auch schon im Nachwuchs... „Wirklich prägnant ist der Unterschied zur Schweiz im gesellschaftlichen Stellenwert der Sportart Eishockey“ – Nachwuchsförderer Rupert Meister im Interview

Rupert Meister – © SC Bietigheim Timo Raiser

Bietigheim. (JR) Rupert Meister ist aktuell Trainer der U20 bei den Bietigheim Steelers.

Der erfahrene Eishockeyfachmann war in früheren Jahren auch schon im Nachwuchs der Kölner Junghaie und seinem Heimatverein EV Landshut tätig. Darüber hinaus war er drei Jahre als Nachwuchstrainer beim Schweizer Topclub SC Bern beschäftigt. Wir haben ihm ein paar Fragen zum Nachwuchs der Bietigheim Steelers und zur Entwicklung des Nachwuchs im Deutschen Eishockey gestellt.

Eishockey-Magazin (EM) / Jörg Reich (JR): Hallo Herr Meister, vielen Dank, dass wir Ihnen ein paar Fragen stellen dürfen!
Die Saison 2021/2022 ist zu Ende. Wie verlief die vergangenen Saison aus Ihrer Sicht und wie würden Sie ihr Team der vergangenen Saison einstufen? Was lief gut?

Rupert Meister: Das Team hat sich prächtig gemacht, eine tolle Truppe die Spaß gemacht hat. Jungs die sich zu 100% eingebracht haben, sich als Team aber auch individuell permanent verbesserten und großen Einsatz gezeigt haben. Mal abgesehen vom Saisonende war es eine außergewöhnliche Saison.
In 29 Pflichtspielen gab es 27 Siege, nur in einem Spiel gelang kein Punktgewinn. Bereits in der Vorsaison wurde das Punktemaximum fast erreicht. Bitter, dass sich das Team in der äußerst kurzen best-off-Two-Playoffrunde nicht selbst belohnen konnte. Einem 2:2 in Spiel eins folgte am darauffolgenden Tag, nach einer klaren 3:1 Führung und der Möglichkeit das Spiel frühzeitig zu unseren Gunsten zu entscheiden, ein „last Minute“ Unentschieden nach 60 Minuten. Der negative Ausgang der Partie in der Verlängerung war für alle eine herbe Enttäuschung. Eine Woche vor den Playoffs wurde das Testspiel gegen Schwenningen, welche um den Einzug in die DNL1 spielte, gewonnen. Ein Playoff-Knockout in zwei Spielen ist immer möglich, noch dazu im Juniorenalter und spiegelt letztendlich leider nicht das wahre Leistungsvermögen unserer U20 DNL-Truppe wieder.

E-M /J. R.: In welcher Liga wird die U20 der Steelers in der kommenden Saison an den Start gehen?

Rupert Meister: Diese Entscheidung wollten wir, voller Selbstbewusstsein und Überzeugung in die eigene Leistungsfähigkeit, selbst treffen, um zukünftig mindestens in der DNL2 an den Start gehen zu dürfen. Grundsätzlich wollen wir in die höchste Liga. Unser Wunsch ist es in der Liga zu starten, die unserem Leistungsstand und unseren Möglichkeiten im Verein entspricht.
Die Antwort auf die Frage liegt leider nicht mehr in unseren Händen – wir werden sehen.

E-M /J. R.: Die Saison 2022/2023 steht vor der Tür, die Planungen laufen sicherlich auf Hochtouren. Wie wird das U20-Team der Steelers in der kommenden Saison ausschauen? Wird es einen größeren Umbruch im Team geben?

Rupert Meister: Wir trainieren seit dem 1.Mai, Mitte Juli geht es auf´s Eis und ein attraktives und anspruchsvolles Vorbereitungsprogramm steht. Im Team gibt es einen natürlichen Umbruch, sechs Spieler des Jahrgangs 2002 scheiden altersbedingt aus. Da wir in allen Altersstufen in den Jahrgängen sehr gut ausbalanciert sind und eine gute Tiefe vorhanden ist, entstehen daraus wenig Probleme. Sowohl die verbliebenen Spieler, als auch die aufrückenden Spieler aus der U17 bringen genug Potential mit, um sich in der DNL zu behaupten.

Wollen zeigen was in Bietigheim über die letzten Jahre aufgebaut worden ist.

E-M /J. R.: Steht das Team für die kommende Saison schon fest oder sind Sie noch auf der Suche nach Verstärkungen? Wie sind die Aussichten des Kaders 2022/2023 sowohl qualitativ also auch quantitativ?

Rupert Meister: Wie schon erwähnt, wollen wir zeigen was in Bietigheim über die letzten Jahre aufgebaut worden ist. Den eigenen Nachwuchs voranbringen ist unser großes gemeinsames Ziel. Daher sind wir nicht explizit auf der Suche nach Spielern aus anderen Vereinen.
Nichtsdestotrotz wird sich für den ein oder anderen Spieler aus der Region und den umliegenden Partnerclubs die Möglichkeit ergeben, sein Können bei uns zu zeigen. Evtl. ergeben sich daraus Kaderzugänge. Erwähnenswert ist die Rückkehr von Yannick Haist. Aufgrund der Entwicklung der DNL-Mannschaft sowie der engen Zusammenarbeit mit der 1.Mannschaft, wurde Yannick eine Möglichkeit eines Karriereweges im „eigenen Haus“ aufgezeigt. Wir freuen uns sehr, dass Yannick nach zwei Jahren bei den Jungadlern Mannheim wieder zurück bei den Steelers ist.

E-M /J. R.: Die Spieler des Jahrgangs 2002 werden das Team altersbedingt verlassen müssen. Welche Aussichten haben diese Spieler aus ihrem Team für die Zukunft? Wird der ein oder andere in den Profibereich wechseln? Können Sie uns da den ein oder anderen Namen nennen, für den diese Möglichkeit besteht?

Rupert Meister: Denjenigen Spielern, die sich über die letzten Jahre voll eingebracht, mit den Steelers zu 100% identifiziert und sportlich in eine aussichtsreiche Position gebracht haben, werden wir weitere Unterstützung gewähren.
Da deren Entwicklung noch nicht abgeschlossen ist, werden wir ihnen für eine gewisse Zeit eine Möglichkeit eröffnen, um sich bei unserem Oberliga-Partner weiter entwickeln zu können und erste Erfahrungen im Herrenhockey zu sammeln, eine spannende Geschichte. Darüber hinaus stehen im aktuellen DNL-Kader ebenso Jungs, deren Potential eine vielversprechende Zukunft erahnen lässt.

E-M /J. R.: Mit Robert Kneisler, Fabjon Kuqi und Jimmy Martinovic haben es drei Nachwuchsspieler aus dem eigenen Nachwuchs in den Profibereich geschafft. Werden sich diese Spieler dauerhaft bei den Steelers etablieren können und werden in den nächsten Jahren weitere Spieler folgen?

Rupert Meister: Ob sich Spieler im Profibereich dauerhaft etablieren hängt von vielen Faktoren ab. Die oben genannten Spieler haben eine gute Einstellung, arbeiten sehr hart und sind auch mit Rückschlägen bisher gut umgegangen. Die Bedingungen sind positiv, die Leistungskurve ging bisher immer nach oben. Erfahrungen sammeln, geduldig und beharrlich bleiben waren schon immer ein gutes Erfolgsrezept.
Ich bin mir sicher, dass wir in Zukunft weitere Spieler aus dem eigenen Nachwuchs des SC Bietigheim sehen werden. Es ist schön zu beobachten, dass sehr viele Jungs den Prozessen vertrauen und darüber hinaus mit dem nötigen Handwerkszeug ausgestattet sind, um eines Tages größere Ziele verwirklichen zu können. Es gibt keine Abkürzungen, nur kontinuierliche harte Arbeit und dies führt letztendlich zum Erfolg.

E-M /J. R.: Der Sprung aus der U20 in die DEL ist riesig. Fehlt in der Umgebung von Bietigheim nicht ein Team in der Oberliga als „Sprungbrett“, damit mehr junge Spieler aus dem Bietigheimer Nachwuchs eine Profikarriere starten können?

Rupert Meister: Der Bedarf an deutschen Spielern ist gestiegen, das ist gut so. Die Oberliga ist sicherlich ein Gefäß in welchem auch erste Erfahrungen im Erwachsenen-Hockey gesammelt werden können. Meiner Ansicht nach aber nicht die einzige zielführende Lösung. Jeder Spieler und dessen Weg ist individuell zu betrachten.

Wirklich prägnant ist der Unterschied zur Schweiz im gesellschaftlichen Stellenwert der Sportart Eishockey.

E-M /J. R.: Sie waren drei Jahre in der Schweiz beim SC Bern tätig. Wie würden Sie die Nachwuchsarbeit in Deutschland im Vergleich zur Schweiz einstufen? Was müssen wir in Deutschland verbessern, um dauerhaft mit der Schweiz auf Augenhöhe zu sein?

Rupert Meister: Wir haben in den letzten Jahren in Deutschland sehr gute Arbeit geleistet. Es wurden Weichen in die richtige Richtung gestellt z.B. mit Einführung des Sterne Programms. Mit den damit verbundenen Anforderungen an Umfeld, Quantität und Qualität ist es gelungen, eine Sensibilisierung für die Wichtigkeit einer zielorientierten Nachwuchsarbeit in jeden Club zu legen. Definitiv ein richtiger Schritt, um sich auch in Zukunft im internationalen Vergleich nicht verstecken zu müssen.
Um mit der Schweiz oder anderen Nationen dauerhaft Schritt zu halten, dürfen wir in keinem Fall in unseren Bestrebungen nachlassen. Wirklich prägnant ist der Unterschied zur Schweiz im gesellschaftlichen Stellenwert der Sportart Eishockey. Dieser Motivationsfaktor ist für mich von sehr hoher Bedeutung. Das Label-Programm als Gegenstück zu unserem Sterne-Programm hat schon etliche Jahre mehr auf dem Buckel. Durch die Tatsache, dass sich die Schweiz nicht in der EU befindet gibt es eine Ausbildungs-/Transferregelung. Ebenso gibt es für die Kids sehr viele Vorbilder welche sich in der NHL als tragende Säulen ihrer Clubs hervorgetan haben, wie Nico Hischier, Timo Meier, Roman Josi, Kevin Fiala oder ehemalige Wegbereiter wie Mark Streit, Jonas Hiller und Tino Gerber. Sie sind im ganzen Land bekannt und genießen, nicht nur sportlich, sondern auch als „Mediale Persönlichkeiten“ ein sehr hohes Ansehen. In der heimischen Liga gibt es viele Schweizer Spieler und Top-Import Spieler auf welche diese Attribute auch zutreffen und zur Orientierung für Kinder dienen. Unsere Realität ist, dass wir uns in dieser Hinsicht in Deutschland mit einer omnipräsenten Fußball Dominanz doch sehr schwertun. Regional, an den Standorten und Hockeyhochburgen geben wir unser bestes, bundesweit haben wir in Bezug auf Medienpräsenz noch viel Luft nach oben.

E-M /J. R.: In der Schweiz gelingt der Übergang vom Nachwuchsbereich in die Nationalliga A besser als hierzulande von der U20 in die DEL. Auf Grund der geringeren Anzahl an Importspielern haben die Schweizer Spieler bessere Perspektiven in ihrer Liga. Müsste man in der DEL nicht dringend die Anzahl der Importspieler reduzieren, damit auch die Deutschen Spieler in der DEL eine bessere Rolle spielen können und mehr Deutsche Spieler dauerhaft in der Liga verbleiben können?

Rupert Meister: Eishockey findet in den meisten Profiligen international statt, die Anzahl der Importstellen ist mal höher, mal kleiner. Dies bedeutet, dass auch ein internationaler Maßstab für unsere jungen deutschen Nachwuchsspieler gilt. Aber auch, dass wir, wenn wir mit mehr deutschen Spielern in der DEL antreten wollen die nötigen Voraussetzungen dafür schaffen müssen, dass sie sich entsprechend entwickeln können.
Im Kontext der Ausbildung hören wir immer von Prozessen, Entwicklungen – dies braucht Zeit. Hier sehe ich die größte Baustelle für uns. Gelingt es uns, auf wirklich breiter Basis dafür weitere Voraussetzungen zu schaffen? Dazu gehört zum Beispiel, dass wir in etwa ab dem Altersbereich U15, spätestens U17, Zeiten für das Training am Morgen/Vormittag generieren können. In der Schweiz funktioniert das schon seit längerem. Bei uns ist es ein sehr großes Hemmnis. Damit meine ich konkret die Kombination Schule/(Leistungs)Sport. Für mich der größte Hebel, den wir angehen können. Gelingt uns das, ist es auch möglich, in der uns zur Verfügung stehenden Zeit, mehr Spieler an das DEL Niveau heranzuführen.
Spitzensportförderung ist meiner Ansicht nach zu sehr an Einzelsportarten orientiert. Wir werden immer in den Mannschaften auch ein gutes Mittelmaß haben mit Spätentwicklern und nicht jeder dieser Spieler kann einen Kaderstatus vorweisen, um in den Genuss dieser Förderung zu kommen. Hier verlieren wir Zeit für Umfänge, die geleistet werden müssen.
Auch dass an einigen Standorten mal besser mal schlechter versucht wird dieses Problem zu lösen, wird nicht reichen. Erschwerend kommt unser föderales Schulsystem hinzu, welches standortbedingt doch zu erheblichen Unterschieden führt. Aus meiner Erfahrung über die letzten Jahre kann ich nur eine Lanze für unsere jungen Spieler brechen. Es ist enorm, was diese Spieler leisten und größtenteils ihren Sport selber bzw. über ihre Eltern finanzieren.

Rupert Meisters aktive Karriere in Zahlen

E-M /J. R.: Die Nationalmannschaft hat gerade in der Öffentlichkeit eine hohe Bedeutung. Weltmeisterschaften und Olympische Spiele werden im TV ausführlich gezeigt. Haben Sie das Gefühl, die Clubs der DEL sind sich der großen Bedeutung der Nationalmannschaft bewusst?

Rupert Meister: Ja, definitiv! Hier ist in den letzten Jahren doch eine ganz klare positive Tendenz erkennbar. Gesellschafter, Sportliche Leiter und Ligenleitung sind sich meiner Meinung nach der Bedeutung unserer Nationalmannschaft ganz bewusst. Raum für Optimierungen gibt es immer. Uli Liebsch, federführend als DEL Nachwuchsbeauftragter und Verfechter des deutschen Eishockeys hat sicherlich immer ein Auge darauf.

E-M /J. R.: Kann sich das Deutsche Eishockey weiter positiv entwickeln, wenn man an der Anzahl der Importspieler in den nächsten Jahren nichts verändert? Blockiert die DEL damit nicht die Entwicklung von mehr jungen Deutschen Spielern zu dauerhaften DEL-Spielern und damit auch eine größere Auswahl an Spielern für die Nationalmannschaft?

Rupert Meister: Man darf nicht vergessen, dass die DEL seit Jahren versucht die Anzahl der Importspieler zu verringern und dies auch schon getan hat. Das Interesse in der DEL-Führung, die Nachwuchsarbeit zur fördern, Wege für deutsche Spieler zu finden, um sie dauerhaft in der Liga zu integrieren, ist meiner Ansicht nach klar erkennbar.
Für mich persönlich hängt dies jedoch nicht zwingend mit einer weiteren Reduzierung der Importstellen zusammen. Sicherlich würde dies auch Vorteile mit sich bringen. Auf der anderen Seite sollte es aber schon so sein, dass in einer Profiliga jeder Club selber entscheiden kann welche Philosophie er verfolgt, um am Ende des Tages Zuschauer in die Halle zu bekommen. Die besten Spieler in der besten Liga – egal ob jung oder alt. Jeder Club sollte seine eigene Strategie verfolgen können, natürlich unter dem Gesichtspunkt einer stetigen Weiterentwicklung des nationalen Eishockeys und der eigenen Identität. Es muss sichergestellt sein, dass Investitionen in die Nachwuchsarbeit weiter forciert werden und wir dafür Sorge tragen, dass es eben dadurch zu einer höheren Anzahl deutscher Spieler in der Liga kommt.

E-M /J. R.: Wie stehen Sie zur U23-Regelung der DEL?

Rupert Meister: Als großer Jugendförderer sehe ich den Grundgedanken dahinter absolut positiv. Als ehemaliger Profi allerdings mit kleinem Beigeschmack. Wenn man in einer Profiliga, aufgrund es Alters, eine Art Protektionismus erkennen kann ist das nicht optimal. Die DEL ist ein wirtschaftlich orientiertes Geschäftsmodell, es geht um Erfolge und am Ende des Tages auch um Arbeitsplätze. Man muss sich die Frage stellen, ob die Regel so wie es aktuell läuft, wirklich zielführend ist oder ob diese evtl. modifiziert werden kann.

E-M /J. R.: Herr Meister, vielen Dank dass Sie sich Zeit genommen und unsere Fragen beantwortet haben!

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