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Neuss. (JR) Tino Boos ist gebürtiger Düsseldorfer und hat in seiner Karriere als Spieler in der DEL für die Düsseldorfer EG, die Kassel Huskies,... Tino Boos (DEL Spielerentwicklung): „Es wurde keine Stelle für deutsche Ü23 Spieler gestrichen, sondern für alle Spieler“

Tino Boos – © by Sportfoto-Sale (DR)

Neuss. (JR) Tino Boos ist gebürtiger Düsseldorfer und hat in seiner Karriere als Spieler in der DEL für die Düsseldorfer EG, die Kassel Huskies, die Kölner Haie und die Hannover Scorpions gespielt.

Der ehemalige Nationalspieler ist nach seinem Karriereende dem Eishockey erhalten geblieben. Inzwischen arbeitet er für die DEL und ist für die Bereich Spielerentwicklung zuständig. Wir haben ihm ein paar Fragen rund um die DEL, das Deutsche Eishockey und zur Ausrichtung der DEL in den nächsten Jahren gestellt.

Eishockey-Magazin (EM) / Jörg Reich (JR): Hallo Herr Boos,vielen Dank, dass wir Ihnen ein paar Fragen stellen dürfen!

Sie sind bei der DEL aktuell für die Spielerentwicklung der jungen deutschen Spieler zuständig. Können Sie uns kurz ihren Tätigkeitsbereich beschreiben?

Tino Boos: Meine zwei Haupttätigkeitsfelder sind die Leitung des Game Centers und die Spielerentwicklung in der PENNY DEL. Hier bin ich u.a. in einem engen Austausch mit dem DEB sowie Uli Liebsch vom DEL Förderverein. Der DEL Förderverein ist für die Entwicklung und Umsetzung des 5-Sterne-Programms zuständig. Zudem werte ich sämtliche Daten im Zusammenhang mit den Spielern und Spielen der PENNY DEL aus.

E-M /J. R.: Das Thema junge deutsche Spieler in der DEL wurde durch die erweiterte U 23-Spieler-Regelung aufgewertet. Wie sehen Sie aktuell die Entwicklung der U 23-Spieler in der Liga? Wie sehen Sie die Entwicklung junger deutscher Spieler generell?

Tino Boos: Die Spielerentwicklung beginnt bei der Akquise sämtlicher Eishockeyvereine in Deutschland und in der Grundausbildung. Durch unsere Infrastruktur gegebene überschaubare Anzahl an Eishockeyspielern, können wir uns nicht auf die Masse verlassen, sondern müssen einen Weg finden, unsere Talente bestmöglich zu entwickeln. Durch die Auswertung der letzten Jahre ist zu sehen, dass sich von der Saison 17/18 im Schnitt 1,1 U23 Spieler auf dem Spielbericht befunden haben. In der Saison 18/19 waren es 1,5, in der Saison 19/20 2,4 und in der Spielzeit 20/21 schon 3,4. Und das auch in einem relevanten Bereich mit über 5 Minuten Eiszeit pro Spiel.

E-M /J. R.: Wird diese Regelung von den Clubs so ausgelebt, dass damit die jungen Spieler auch wirklich gefördert werden oder gibt es in diesem Bereich generell eher noch Verbesserungsbedarf?

Tino Boos: Die meisten Clubs sehen die Chance davon zu profitieren, wenn sie ihre jungen Spieler bestmöglich fördern. Allein schon aus dem Grund, weil sie sie bezahlen, kümmern sich alle Clubs um ihre U23 Spieler. Viele haben spezielle Trainingsgruppen und/oder einen immer wichtiger werdenden “Development Coach”. Seit die U23 Spieler auf dem Spielbericht stehen müssen, vernachlässigt kein Club mehr seine U23 Spieler.

E-M /J. R.: Sind Sie ein Befürworter dieser U 23-Regelung? Bringt diese Regelung das deutsche Eishockey weiter nach vorne? Hilft diese Regelung deutschen Spielern langfristig sich in der DEL zu etablieren?

Tino Boos: Die DEL ist eine Profiliga und somit legen die Clubs in der Regel verständlicherweise nicht unbedingt ausschließlich das Hauptaugenmerk auf die Entwicklung junger Spieler. Am Ende geht es darum, Spiele zu gewinnen und einen Job zu bekommen. Deshalb war es nötig, den Clubs einen Ansporn zu geben, sich um die jungen Spieler zu kümmern. Ist unser System perfekt? Bestimmt nicht, aber das Beste, das wir aktuell haben können. Das System gibt vielen jungen Spielern eine reelle Chance.

E-M /J. R.: Die erweiterte U 23-Regelung zeigt auch, dass es für deutsche Spieler über 23 Jahren sehr schwierig werden kann, in der DEL zu verbleiben. Zur Saison 2021/2022 mussten viele deutsche Spieler aus der DEL in die DEL2 wechseln, vor allem Spieler der Jahrgänge 1996 bis 1998. Einige davon würden sicherlich bei entsprechenden Möglichkeiten in der DEL zu spielen auf Dauer gute DEL-Spieler werden. Verbaut man diesen Spielern diese Chance nicht dadurch?

Tino Boos: Die Gründe sind sicher vielschichtig. Am Ende spielt jeder da, wo er hingehört. Verstehen Sie mich nicht falsch, aber wenn viele eine Chance bekommen, werden auch mehr aus dem System heraus gespült. Die Clubs haben ihr Budget und nur eine begrenzte Anzahl an Arbeitsplätzen.

E-M /J. R.: Zugunsten einer U 23-Stelle wurde eine Stelle eines deutschen Ü 23-Spielers gestrichen. Aus Sicht der deutschen Spieler ein Ärgernis und doch ziemlich unverständlich. Wie sehen Sie das?

Tino Boos: Es wurde keine Stelle für deutsche Ü23 Spieler gestrichen, sondern für alle Spieler. Es dürfen, inklusive der U23 Spieler, immer noch 21 Spieler auf den Spielbericht. Wie ich schon gesagt habe, finde ich Reservate für Spieler nie perfekt, aber wenn schon, dann für die jungen Spieler. Nutzen müssen sie sie am Ende selber.

Tino Boos als Aktiver – © Sportfoto-Sale (DR)

E-M /J. R.: Man könnte ganz einfach deutschen Ü 23-Spielern mehr Möglichkeiten in der Liga zu spielen geben, in dem man die Anzahl der erlaubten Kontingentstellen schrittweise reduziert. Eine Alternative wäre auch – keine U-Regelungen mehr, dafür eine deutliche Reduzierung der Importstellen. Was halten Sie von diesen Ansätzen?

Tino Boos: Grundsätzlich auf den ersten Blick sehr verlockend. Wenn man aber bedenkt, dass unsere Liga bis zur Einführung der U23 Regelungen zu den ältesten in Europa gehört hat und zudem die Gehälter der durchschnittlichen Spieler rasant gestiegen sind, muss man auch Maßnahmen finden, um diesem Fakt entgegenzusteuern.
Erinnern Sie sich noch an meine Anfänge in den 90ern? Damals waren zwei Ausländer erlaubt und die wirtschaftlich stärksten Clubs haben gefühlt nie ein Spiel gegen das untere Tabellendrittel verloren. Viele Clubs brauchen eine gesunde Anzahl an Ausländern, um eine gewisse Wettbewerbsfähigkeit zu generieren.

E-M /J. R.: Der ehemalige Sportdirektor des DEB Stefan Schaidnagel hat sich für eine Reduzierung der Kontingentstellen eingesetzt. Die Clubs der Liga haben sich dagegen gesträubt und gewehrt. Hat die Liga kein Interesse daran, mehr Deutsche Spieler in der Liga zu haben?

Tino Boos: Genau darum geht es ja. Ich schätze Stefan Schaidnagel sehr, aber es ist unsere gemeinsame Aufgabe mit dem DEB dauerhaft zu den Top Nationen aufzuschließen und eine Ausländerregelung möglicherweise in Zukunft komplett obsolet zu machen. Das sollte unser Ziel sein. Dafür brauchen wir eine starke und bestmöglich funktionierende Liga, sowie den DEB bis runter zu den Landesverbänden und jeden einzelnen Verein. Warum sollte ein deutscher Spieler nicht in naher Zukunft besser sein als der siebte, achte oder neunte Ausländer?

E-M /J. R.: Die Erfolge des deutschen Eishockeys in den letzten Jahren werden hauptsächlich in Verbindung mit dem Konzept Powerplay 2026 gebracht. Die Nachwuchs- und Trainerausbildung wurde entsprechend forciert und verbessert. In diesem Konzept war aber auch vorgesehen, den Deutschen Spielern mehr Spielmöglichkeiten in der DEL zu geben und die Stellen für Importspieler bis zum Jahr 2026 auf sechs je Club zu begrenzen. In den letzten Jahren wurde keine einzige Stelle reduziert. Gibt es einen Stufenplan, wie man dieses Ziel bis zum Jahr 2026 erreichen möchte?

Tino Boos: Die Situation wird regelmäßig überprüft und besprochen. Jeder Teil im deutschen Eishockey hat seine eigenen Interessen, aber am Ende geht es um unseren Sport. Die Liga ist sich ihrer Verantwortung bewusst, aber sie ist nicht das Allheilmittel.

E-M /J. R.: Die U20-Nationalmannschaft ist bei der letzten U20-WM trotz schwierigen Umständen ins Viertelfinale eingezogen. Die A-Nationalmannschaft hat bei der letzten Weltmeisterschaft das Halbfinale erreicht und hat auch in den Jahren zuvor sehr erfolgreich gespielt. Können solche Erfolge in den nächsten Jahren in einer gewissen Regelmäßigkeit erzielt werden oder werden das eher Ausnahmen bleiben?

Tino Boos: Wie schon oben erwähnt, sollte es unser aller Bestreben sein, eine gewisse Beständigkeit zu erarbeiten. Auch wenn es hin und wieder mal einen in der Breite schwächeren Jahrgang geben wird, sollte dies machbar sein.

E-M /J. R.: Um mit der Nationalmannschaft dauerhaft erfolgreich zu sein, benötigt man gute Spieler in der Spitze, aber auch eine gewisse Breite an guten deutschen Spielern. Die Breite an Spielern kann es aber nur geben, wenn die Spieler auch die Möglichkeit bekommen in der DEL zu spielen und in wichtigen Rollen zu spielen. Ist dies aus ihrer Sicht in der DEL aktuell gegeben? Kann man mit einer Nationalmannschaft unter diesen Voraussetzungen langfristig erfolgreich sein?

Tino Boos: Da müssen Sie den Bundestrainer Toni Söderholm fragen. Ich würde sagen, er hat auf jeden Fall viel mehr Auswahl als noch vor einigen Jahren. Nur die Breite zu haben, bringt uns international nichts. Da brauchst du schon Qualität.

E-M /J. R.: Im Erfolg werden oft die meisten strukturellen Fehler gemacht. Erkennt man die Gefahr im deutschen Eishockey? Sehen Sie die DEL und das deutsche Eishockey generell auf einem langfristig guten Weg?

Tino Boos: Erfolg ist bekanntermaßen auch keine Einbahnstraße. Grundsätzlich sind wir auf einem guten Weg, aber natürlich niemals zufrieden. Es gibt noch einiges tun.

E-M /J. R.: Herr Boos, vielen Dank dass Sie sich Zeit genommen und unsere Fragen beantwortet haben!

(Jörg Reich)

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