Atlantic Division: Von starken Bären und stumpfen Säbeln
NHL 26. Februar 2014 Eishockey-Magazin 0
New York. (LM) In Teil zwei unseres Zwischenfazits der NHL Saison 13/14 fassen wir den aktuellen Stand in der Atlantic Division der Eastern Conference zusammen.
Bärenstark in Boston
Wer gedacht hatte, dass die Boston Bruins nach der unglücklichen Niederlage in Spiel 6 der letztjährigen Finalserie einen psychologischen Knacks bekommen hätten, der wurde schnell eines Besseren belehrt. Genauso wie in den letzten Jahren gehören die Bruins zu den absoluten Topteams der Liga. Dabei liegt die Betonung vor allem auf Team, denn die Braunbären überzeugen im Kollektiv.
Vor allem in der Offensive sind die Bruins ein sehr ausgeglichenes Team. Zwar hat kein Spieler mehr als 20 Tore erzielt, aber dafür haben bereits acht Spieler eine zweistellige Anzahl an Treffern auf ihrem Konto[1].
Der Angriff der Bruins ist gut, die Verteidigung aber ist überragend. Mit nur 125 Gegentoren stellen die B’s die beste Defensive der gesamten NHL. In Jahr zwei nach Tim Thomas hat sich dabei auch der Finne Tuuko Rask endgültig als Nummer eins im Tor etabliert.
Durch die schwere Verletzung von Verteidiger Dennis Seidenberg, ist aus deutscher Sicht das positive Gesamtbild der Bruins etwas getrübt. Bis zu seinem Kreuzbandriss am 27. Dezember spielte Seidenberg eine gewohnt zuverlässige Saison. Bisher konnte Boston den Ausfall des ehemaligen Mannheimers gut kompensieren. So richtig wird sich sein Fehlen erst in den Playoffs bemerkbar machen. Zusammen mit dem Kapitän Zdeno Chara bildete Seidenberg in den Endrunden der letzten Jahre das Verteidigerduo der Bruins, das sich mit der besten Angriffsreihe des Gegners auseinandersetzt. Genau dieser Mosaikstein könnte dem Team aus Massachusetts in einem möglichen Eastern Conference Finale gegen Pittsburgh fehlen.
Trotzdem bleibt Boston einer der Titelkandidaten im Osten, weil das Team über eine sprichwörtlich bärenstarke Defensive verfügt und im Angriff alle vier Reihen scoren können.
Licht und Schatten im Sunshine State
In der Streiksaison 2012-13 belegten die südlichsten Mannschaften der NHL den letzten und vorletzten Platz im Osten der Liga. Zumindest für Tampa Bay hat sich die Situation in diesem Jahr deutlich verbessert.
Dabei schien es so, als sei die Saison für die Bolts am 11. November schon beendet. Im Auswärtsspiel in Boston prallte Top-Torjäger Steven Stamkos so unglücklich gegen einen Torpfosten, dass er sich dabei das rechte Schienbein brach.
Doch die Lightning konnten bisher diesen Ausfall überraschend gut auffangen. Einer der Gründe dafür ist sicherlich das gute Spiel der beiden Debütanten Tyler Johnson und Ondrej Palat. Vor allem Johnson verbessert sich von Spiel zu Spiel, und gilt mittlerweile als ein ganz heißer Kandidat für die Nominierung zum besten Nachwuchsspieler des Jahres[2].
Nach einigen Fehlschlägen in den letzten Spielzeiten hat man in Tampa vielleicht auch endlich eine langfristige Lösung für die chronischen Torwartprobleme gefunden. Der 27-jährige Ben Bishop, in der letzten Saison aus Ottawa gekommen, überzeugt bisher in seinem ersten Jahr in Florida. Mit den guten Leistungen von Bishop und der Defensive um den Schweden Victor Hedman, verbesserte sich Tampa bei der Anzahl der Gegentore von Platz 26 im Vorjahr, auf Platz 6 zum aktuellen Zeitpunkt der Saison.
Die Rückkehr von Steven Stamkos ist für die ersten Wochen nach der Olympiapause geplant. Findet der Kanadier schnell zu seiner Form vom Saisonbeginn, dann könnten sich die Lightning zu mehr als nur einem Geheimfavoriten entwickeln. Wie gefährlich Tampa in den Playoffs werden kann, zeigte sich 2011. Dort scheiterte das Team erst in Spiel 7 der Finalspiele im Osten am späteren Titelgewinner aus Boston.
Auf der anderen Seite Floridas, in Fort Lauderdale, der Heimat der Panthers, hat man es dagegen nicht geschafft eine Trendwende einzuleiten. Im Gegenteil. Nach nur drei Erfolgen in den ersten 16 Partien wurde am 08. November Kevin Dineen entlassen, und durch Peter Horachek ersetzt. Den erhofften Aufschwung hat der Trainerwechsel aber noch nicht einleiten können. Immer, wenn die Panthers nah dran waren eine ausgeglichene Bilanz aufzuweisen, verlor die Mannschaft mehrere Spiele hintereinander.
Die Ursachen für die inkonstanten Leistungen sind vielfältig. Im Tor wurde mit dem ehemaligen Playoff-MVP [3] Tim Thomas zwar ein namhafter Spieler verpflichtet, aber entweder Thomas war verletzt oder er wurde von seiner Verteidigung im Stich gelassen. Nur drei Mannschaften[4] haben mehr Gegentore kassiert.
Die schlechten Leistungen setzen sich auch in der Offensive fort. Mit nur 139 erzielten Toren liegen die Panthers auch hier ganz klar im unteren Bereich der NHL. Bezeichnend für die harmlose Offensive ist, dass Scottie Upshall mit nur 27 Punkten der „Topscorer“ der Mannschaft aus dem Süden Floridas ist. Das sind mit Abstand die wenigstens Punkte, die der Topscorer eines NHL Teams gesammelt hat.
Zumindest für die Fans aus Deutschland gibt es mit Marcel Goc aber ein kleines Highlight an der Atlantikküste. Mit bisher 10 Toren und 11 Vorlagen ist der in Calw geborene Mittelstürmer auf gutem Weg, seine persönlichen Bestmarken in diesen Kategorien zu verbessern. Etwas mehr Erfolg mit der Mannschaft wäre dem 30-jährigen aber vermutlich lieber.
Als Trost für die Fans in Fort Lauderdale bleibt, dass dieses Jahr mit Buffalo zumindest noch ein Team schlechter abschneiden wird.
Die Büffel sterben aus
Wo soll man anfangen und wo aufhören? Den ersten Sieg feierte Buffalo im achten Saisonspiel. Den ersten Erfolg im heimischen First Niagara Center gab es erst am 12. November, sechs Wochen nach dem Start der Saison. Mit 110 Toren hat Buffalo 25 Tore weniger als das zweitschlechteste Team[5]. Nur 15 Siege und 38 Punkte bedeuten die schlechteste Ausbeute aller 30 NHL-Teams.
Das Management merkte schnell, dass diese Saison keine Erfolge gefeiert werden können. Als deutlich wurde, dass der Vertrag mit dem österreichischen Topscorer und Kapitän Thomas Vanek nicht verlängert werden würde, tauschte man den Badener gegen Matt Moulson von den New York Islanders[6].
Auch die Führungsetage der Sabres blieb von den Veränderungen nicht verschont.
Ironischerweise direkt nach dem ersten Heimsieg[7] am 13. November wurden Coach Ron Rolston und General Manager Darcy Regier entlassen. Als Nachfolger wurden zwei alte Bekannte in Buffalo verpflichtet. Zum einen ist Ted Nolan, der bereits von 1995 bis 1997 Coach in Buffalo war, der neue Verantwortliche für die sportlichen Leistungen. Zum anderen wurde die Legende Pat Lafontaine[8] als President of Hockey Operations, ähnlich einem Sportdirektor, installiert. Diese Beiden sollen die Sabres in Zukunft wieder konkurrenzfähig machen.
Mit Spannung darf deshalb die Trade Deadline[9] erwartet werden. Vieles spricht dafür, dass Buffalo sich von alten und teuren Spielern trennen wird. Im Gegenzug sollten dann Draftpicks[10] und junge Talente an die kanadische Grenze wechseln.
Der deutsche Christian Ehrhoff fällt zwar genau in die Kategorie älter und erfahren, ein Wechsel erscheint aber eher unwahrscheinlich. 2011 unterschrieb der gebürtige Moerser einen hochdotierten Zehnjahresvertrag[11]. Das hohe Gehalt und die lange Laufzeit machen Ehrhoff damit sehr unattraktiv für Teams, die eine kurzfristige Verstärkung für die diesjährigen Playoffs suchen.
Wesentlich wahrscheinlicher ist dagegen der Abgang der langjährigen Nummer eins Ryan Miller. Trotz der schlechten Leistungen seiner Vorderleute reichte es für Miller wieder für eine Nominierung für die Olympiamannschaft der USA. Ob der US-Amerikaner allerdings noch lange im Tor der Sabres steht, darf bezweifelt werden. Im Sommer läuft sein Vertrag aus, und vor der Trade Deadline wäre die letzte Gelegenheit noch einen Gegenwert für Miller zu bekommen.
Serientäter aus Toronto
Die Maple Leafs aus Toronto sind die Serientäter der Liga. Auf mehrere Siege folgen in der Regel direkt auch wieder einige Niederlagen hintereinander[12].Nachdem die Ahornblätter in der Vorsaison zum ersten Mal seit 2004 die Playoffs erreichen konnten, ist die Teilnahme an der Endrunde in diesem Jahr noch alles andere als sicher.
Dabei gehört die Offensive der Maple Leafs zu den besten der gesamten NHL. Nur Pittsburgh hat im Osten mehr Treffer erzielt. Herausragend dabei ist Phil Kessel, der sich mit 31 Toren in 60 Spielen endgültig zu einem Superstar entwickelt hat. Auch die Heimstärke des Teams mit 21 Siegen auf eigenem Eis ist für das eishockeyverrückte Toronto sehr positiv.
Wenn da nur nicht die Verteidigung wäre. 182 Gegentore sind für ein Spitzenteam eindeutig zu viel[13]. Das große Problem liegt dabei mal wieder auf der Torwartposition. James Reimer, im Vorjahr noch der große Rückhalt des Teams, ist mit mehr als 3 Gegentoren im Schnitt deutlich von seiner Bestform entfernt. Seinen Nummer-Eins-Status hat der 25-jährige längst an den Neuzugang aus L.A., Jonathan Bernier verloren. Doch auch der bekommt im Schnitt mehr als 2,5 Gegentore.
So müssen die Fans in Toronto mal wieder um den Einzug in die Playoffs bangen. Im Rennen um die Wildcards haben die Leafs aber auf jeden Fall einen Vorteil gegenüber den Teams aus der Metropolitan Division[14].
Motown Blues
Alt, in die Jahre gekommen und renovierungsbedürftig. Was für die Stadt Detroit zutrifft, gilt in vielen Teilen auch für das Eishockeyteam der Detroit Red Wings. Seit mittlerweile 22 Jahren haben sich die Red Wings für die Playoffs qualifiziert. In dieser Saison könnte der Meister von 2008 aber erstmals seit 1991 die Endrunde verpassen.
Dabei hatte man sich in Detroit noch gehofft, dass der Wechsel aus der starken Central Division vor der Saison ein Vorteil für den älteren Kader sein könnte. Doch es scheint, als ob nach vielen Jahren die zahlreichen Playoff-Serien ihren Tribut fordern. Drew Miller und Kyle Quincey sind die einzigen Spieler, die bisher alle 58 Partien absolvieren konnten. Die Ausfälle von Leistungsträgern wie Henrik Zetterberg, Pavel Datsyuk, Johan Franzen und Neuzugang Daniel Alfredsson sind nicht zu kompensieren. Das neben Coach Mike Babcock auch ein Großteil der Topspieler an den Olympischen Spielen teilnimmt, dürfte die Chancen auf Fortsetzung der Playoff-Teilnahmen nicht erhöhen.
Führungslos ohne Kapitän
Der Schock vor der Saison war groß in Ottawa. Daniel Alfredsson, seit seiner Auftaktsaison 1995 im Kader der Senators und seit 1999 Kapitän der Mannschaft hatte einen Vertrag in Detroit unterschrieben. Ausgerechnet bei den Red Wings, die seit dieser Saison mit den Senators zusammen in der Atlantic Division spielen. Zwar konnte kurz danach Bobby Ryan per Trade[15] von den Anaheim Ducks verpflichtet werden, aber der Weggang von Alfredsson schmerzt doch sehr.
Vielleicht erklärt dies auch den mittelmäßigen Saisonstart der Mannschaft aus der Hauptstadt Kanadas. Erst eine Serie von acht Siegen in dreizehn Spielen ab Ende Dezember brachte die Senators wieder näher an die Playoff-Ränge. Um sich für die Playoffs zu qualifizieren, muss aber vor allem das Defensivverhalten verbessert werden. Nur die Kellerkinder aus Edmonton und die New York Islanders haben mehr Tore kassiert als Ottawa. Beleg für die nachlässige Verteidigung ist sicher, dass mit Erik Karlsson ein Verteidiger die interne Scorerliste anführt.
Unterstützung durch seine Vorderleute könnte vor allem Torwart Craig Anderson gut gebrauchen. Wie schon in Colorado, folgt bei Anderson auf eine gute Saison[16], eine höchstens durchwachsene Spielzeit. Bekommt Anderson seine Formkrise nicht in den Griff, werden die Senators die Playoffs nicht erreichen können.
Torflaute in Montreal
Ganz andere Probleme dagegen beim dritten kanadischen Team der Atlantic Division. Die Montreal Canadians stellen nach Boston und Pittsburgh die drittbeste Defensive im Osten der Liga. Torwart Carey Price spielt wieder eine sehr gute Saison und wurde mit der Nominierung in die kanadische Olympiamannschaft belohnt.
Die Leistungen der Torleute in Montreal müssen aber auch hervorragend sein. Mit nur 148 Treffern liegen die Canadians im unteren Leistungsdrittel der Liga. Erstaunlich, da Stürmer Max Paccioretti mit 26 Toren in 50 Spielen zu den besten Schützen der Liga gehört. Warum die Canadians in dieser Saison nicht treffen, ist kaum zu erklären, da sie in der Lockout-Saison 12/13 noch die drittbeste Offensive der Liga stellten.
Trotz der dürftigen Torausbeute können sich die Canadians aber auch Hoffnungen auf eine Playoff-Teilnahme machen. Ebenso wie Toronto, sind sie im Wildcard-Rennen noch vor den Mannschaften der Metropolitan Division.
Fazit: Boston, Tampa und Team X?
Die Bruins sind auch in diesem Jahr wieder einer der Titelfavoriten. Auch Tampa könnte nach der Rückkehr von Steven Stamkos ein Geheimfavorit, zumindest auf das Finale im Osten sein. Dahinter könnten sich noch drei weitere Teams für die Playoffs qualifizieren.
[1] Nur die New York Rangers und die Winnipeg Jets haben mehr Spieler mit einer zweistelligen Anzahl an Toren.
[2] Calder Trophy – Aktuell liegt Johnson mit 37 Punkten auf Platz 2 der Rookie Scoring Liste.
[3] 2010 gewann Thomas mit den Bruins den Stanleycup und wurde mit der Conn Smythe Trophy als bester Spieler der Playoffs ausgezeichnet.
[4] Ottawa, Edmonton und die NY Islanders
[5] Devils mit 135 Treffern
[6] plus einen Erstrunden Draftpick 2014 und einen Zweitrunden Draftpick 2015
[7] Gesamtbilanz zu diesem Zeitpunkt 4-15-1
[8] 268 Spiele, 158 Tore und 227 Vorlagen Assist für 385 Punkte bei den Buffalo Sabres
[9] Bis zu diesem Termin dürfen Spieler zwischen den Teams in der NHL untereinander getauscht werden. In diesem Jahr ist die Deadline am 5. März um 15:00 Uhr Eastern Time.
[10] Ein Draftpick ist das Anrecht bei der jährlichen Draft-Veranstaltung an einer bestimmten Stelle einen Nachwuchsspieler zu verpflichten. Jedes Team der NHL hat in jeder Runde einen Pick. Theoretisch wählt immer das schlechteste Team zuerst und dann jeweils das nächstbeste usw.
[11] Das Gesamtvolumen beläuft sich auf 40 Millionen Dollar. 13 Millionen davon wurden in den ersten beiden Jahren als Bonus gezahlt. Das Gehalt, das Ehrhoff tatsächlich bekommt, nimmt von Jahr zu Jahr ab.
[12] Die Serien bisher: 3 Siege, 3 S, 3 S, 3 Niederlagen, 5 N, 3 N, 3 S, 4 N, 5 S
[13] Toronto belegt damit Platz 27 von 30 Teams.
[14] Die ersten drei Mannschaften jeder Division erreichen automatisch die Playoffs. Danach bekommen die zwei nächstbesten Teams aus der Conference eine Wildcard. Theoretisch können damit 5 Teams aus einer Division die Playoffs erreichen.
[15] Jakob Silfverberg, Stefan Noesen und ein Erstrunden Draftpick wechselten nach Kalifornien.
[16] 12/13 1,69 Gegentore 94,1 % gehaltene Schüsse
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